sport und rheumatoide arthritis; sport and rheumatoid arthritis;

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Z Rheumatol 2014 · 73:434–438 DOI 10.1007/s00393-013-1341-4 Online publiziert: 14. Juni 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 D. Proschek 1  · S. Rehart 2 1 Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsmedizin Mainz 2 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, St. Markus-Krankenhaus, Frankfurt am Main Sport und rheumatoide  Arthritis Der Sport gewinnt in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Durch das ver- änderte Altersspektrum mit einer größe- ren Zahl an älteren und wesentlich akti- veren Menschen finden sich immer mehr sportlich interessierte Menschen mit or- thopädischen Grunderkrankungen. Zu- sätzlich steigt die Zahl der jüngeren Men- schen mit Gelenkdestruktionen, die sich einer orthopädischen Therapie gerade auf- grund des Wunschs nach sportlicher Betä- tigung unterziehen. Durch die Wiederher- stellung einer sportlichen Aktivität kön- nen Risiken für Komorbiditäten reduziert werden. Dies hat erhebliche sozioökono- mische Konsequenzen. Die orthopädische Therapie sollte daher kein Grund sein, auf körperliche Aktivität zu verzichten, son- dern vielmehr diese wiederherzustellen. Moderate sportliche Betätigung ist be- sonders Patienten mit rheumatischen Ge- lenkdestruktionen sowie nach operativen Eingriffen anzuraten. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Auswir- kungen von sportlicher Betätigung bei rheumatoider Arthritis im Rahmen der konservativen Therapie. In dieser Über- sichtsarbeit wird auf die einzelnen Aspek- te der Sporttherapie sowie die empfehlens- werten Sportarten bei rheumatoider Ar- thritis eingegangen. Die Literaturrecher- che erfolgte einerseits über medizinische Suchmaschinen (im Besonderen Pub- Med-Recherche), andererseits aber auch über die Empfehlungen der Fachgesell- schaften und der Patientenhilfegruppen. Die rheumatoide Arthritis führt zu einer Destruktion von Gelenken und damit zu einer stetig zunehmenden schmerzhaften Bewegungseinschrän- kung. Die Immobilisierung nimmt in der Folge nicht nur Einfluss auf das muskulo- skelettale System, sondern auf den gesam- ten Organismus. Ein Teufelskreislauf setzt sich in Bewegung und trägt zu einem ste- ten Progress der Grunderkrankung bei. Sportliche Betätigung wirkt sich posi- tiv aus und kann die konservative Thera- pie der rheumatoiden Arthritis in effekti- ver Weise unterstützen. Um die positiven Effekte zu verstehen, müssen die Zusam- menhänge zwischen körperlicher Betäti- gung und entzündlicher Gelenkerkran- kung herausgearbeitet werden und zwi- schen Sportarten mit positivem und mit negativem Effekt differenziert werden. Rheumatoide Arthritis Die rheumatoide Arthritis stellt mit etwa 80% die größte Gruppe der Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises dar. Sie ist eine Autoimmunerkrankung und führt durch den Befall und letztlich einer De- struktion von Gelenken zu [1, 2] F chronischen Schmerzen, F einer eingeschränkten Funktionalität und damit zu F einer Beeinträchtigung der gesamten Lebensqualität. Der Pathogenese liegt eine bislang nicht im Detail geklärte Hyperämie der Synovia mit Infiltration von inflammatorischen Zellen zugrunde. Dies führt zu einer über- mäßigen Produktion von Rheumafakto- ren und Zytokinen. Die Entzündungsme- diatoren und die unzureichende Immun- antwort führen im Verlauf zu [2] F einer Destruktion des Knorpels, F einer ligamentären Lockerung und F letztlich zu einer Deformierung des betroffenen Gelenks. Die verschiedenen Befallsmuster der rheumatoiden Arthritis und die sehr va- riablen Krankheitsverläufe erschweren die Diagnose und ermöglichen nur be- dingt eine prognostische Einschätzung. Die Prävalenz der Erkrankung findet sich bei etwa 1% der mitteleuropäischen Bevölkerung mit einer Inzidenz von et- wa 40.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland. Frauen sind dabei etwa drei- mal häufiger betroffen als Männer. Therapie Ein früher Behandlungsbeginn ist für die Therapie der rheumatoiden Arthritis von großer Bedeutung. Die Therapieergebnis- se zu Beginn der Erkrankung sind häufig deutlich besser als in späten Phasen [3]. Nach heutigem Wissensstand werden die Langzeitprognose und auch der Ver- lauf der Begleiterkrankungen durch einen frühzeitigen Behandlungsbeginn mit einer Basistherapie durch DMARD („di- sease-modifying antirheumatic drugs“) entscheidend gebessert [2, 4, 5]. Neben der medikamentösen Thera- pie kommt der nichtmedikamentösen ein besonderer Stellenwert zu [2]. Zu dieser zweiten Säule der Therapie der rheuma- toiden Arthritis gehören: F Physiotherapie, F medizinische Anwendungen (u. a. physikalische Therapie, Bäder- therapie), F Ergotherapie, F Orthesen- und Schuhversorgung, F begleitende Patientenschulung und Psychotherapie, F Sporttherapie. Redaktion S. Rehart, Frankfurt a.M. 434 | Zeitschrift für Rheumatologie 5 · 2014 Leitthema

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Z Rheumatol 2014 · 73:434–438DOI 10.1007/s00393-013-1341-4Online publiziert: 14. Juni 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

D. Proschek1 · S. Rehart2

1 Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsmedizin Mainz 2 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, St. Markus-Krankenhaus, Frankfurt am Main

Sport und rheumatoide Arthritis

Der Sport gewinnt in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Durch das ver-änderte Altersspektrum mit einer größe-ren Zahl an älteren und wesentlich akti-veren Menschen finden sich immer mehr sportlich interessierte Menschen mit or-thopädischen Grunderkrankungen. Zu-sätzlich steigt die Zahl der jüngeren Men-schen mit Gelenkdestruktionen, die sich einer orthopädischen Therapie gerade auf-grund des Wunschs nach sportlicher Betä-tigung unterziehen. Durch die Wiederher-stellung einer sportlichen Aktivität kön-nen Risiken für Komorbiditäten reduziert werden. Dies hat erhebliche sozioökono-mische Konsequenzen. Die orthopädische Therapie sollte daher kein Grund sein, auf körperliche Aktivität zu verzichten, son-dern vielmehr diese wiederherzustellen.

Moderate sportliche Betätigung ist be-sonders Patienten mit rheumatischen Ge-lenkdestruktionen sowie nach operativen Eingriffen anzuraten.

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Auswir-kungen von sportlicher Betätigung bei rheumatoider Arthritis im Rahmen der konservativen Therapie. In dieser Über-sichtsarbeit wird auf die einzelnen Aspek-te der Sporttherapie sowie die empfehlens-werten Sportarten bei rheumatoider Ar-thritis eingegangen. Die Literaturrecher-che erfolgte einerseits über medizinische Suchmaschinen (im Besonderen Pub-Med-Recherche), andererseits aber auch über die Empfehlungen der Fachgesell-schaften und der Patientenhilfegruppen.

Die rheumatoide Arthritis führt zu einer Destruktion von Gelenken und damit zu einer stetig zunehmenden schmerzhaften Bewegungseinschrän-kung. Die Immobilisierung nimmt in der

Folge nicht nur Einfluss auf das muskulo-skelettale System, sondern auf den gesam-ten Organismus. Ein Teufelskreislauf setzt sich in Bewegung und trägt zu einem ste-ten Progress der Grunderkrankung bei.

Sportliche Betätigung wirkt sich posi-tiv aus und kann die konservative Thera-pie der rheumatoiden Arthritis in effekti-ver Weise unterstützen. Um die positiven Effekte zu verstehen, müssen die Zusam-menhänge zwischen körperlicher Betäti-gung und entzündlicher Gelenkerkran-kung herausgearbeitet werden und zwi-schen Sportarten mit positivem und mit negativem Effekt differenziert werden.

Rheumatoide Arthritis

Die rheumatoide Arthritis stellt mit etwa 80% die größte Gruppe der Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises dar. Sie ist eine Autoimmunerkrankung und führt durch den Befall und letztlich einer De-struktion von Gelenken zu [1, 2]Fchronischen Schmerzen, Feiner eingeschränkten Funktionalität

und damit zu Feiner Beeinträchtigung der gesamten

Lebensqualität.

Der Pathogenese liegt eine bislang nicht im Detail geklärte Hyperämie der Synovia mit Infiltration von inflammatorischen Zellen zugrunde. Dies führt zu einer über-mäßigen Produktion von Rheumafakto-ren und Zytokinen. Die Entzündungsme-diatoren und die unzureichende Immun-antwort führen im Verlauf zu [2]Feiner Destruktion des Knorpels, Feiner ligamentären Lockerung und Fletztlich zu einer Deformierung des

betroffenen Gelenks.

Die verschiedenen Befallsmuster der rheumatoiden Arthritis und die sehr va-riablen Krankheitsverläufe erschweren die Diagnose und ermöglichen nur be-dingt eine prognostische Einschätzung. Die Prävalenz der Erkrankung findet sich bei etwa 1% der mitteleuropäischen Bevölkerung mit einer Inzidenz von et-wa 40.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland. Frauen sind dabei etwa drei-mal häufiger betroffen als Männer.

Therapie

Ein früher Behandlungsbeginn ist für die Therapie der rheumatoiden Arthritis von großer Bedeutung. Die Therapieergebnis-se zu Beginn der Erkrankung sind häufig deutlich besser als in späten Phasen [3]. Nach heutigem Wissensstand werden die Langzeitprognose und auch der Ver-lauf der Begleiterkrankungen durch einen frühzeitigen Behandlungsbeginn mit einer Basistherapie durch DMARD („di-sease-modifying antirheumatic drugs“) entscheidend gebessert [2, 4, 5].

Neben der medikamentösen Thera-pie kommt der nichtmedikamentösen ein besonderer Stellenwert zu [2]. Zu dieser zweiten Säule der Therapie der rheuma-toiden Arthritis gehören:FPhysiotherapie,Fmedizinische Anwendungen (u. a.

physikalische Therapie, Bäder-therapie),

FErgotherapie,FOrthesen- und Schuhversorgung,Fbegleitende Patientenschulung und

Psychotherapie,FSporttherapie.

RedaktionS. Rehart, Frankfurt a.M.

434 |  Zeitschrift für Rheumatologie 5 · 2014

Leitthema

Sport in der Behandlung

Sport und Bewegungstherapie haben positive Auswirkungen auf den Erhalt der Gelenkphysiologie und auf die Beweg-lichkeit. Durch die Kräftigung der Mus-kulatur und die Optimierung von Bewe-gungsabläufen kommt es zu einer Wir-kung nicht nur auf einzelne Körperbe-reiche; sondern auf den Organismus im Gesamten. Sport hat außerdem Auswir-kungen auf psychosoziale Elemente. Da-mit können Sport und Bewegung positive Auswirkungen auf die Lebensqualität ins-gesamt haben. Zusätzlich werden neben der entzündlichen Gelenkerkrankung auch andere Erkrankungen wie z. B. Er-krankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Stoffwechsels oder der Lunge adres-siert [6, 7, 8].

Die rheumatoide Arthritis führt auf-grund der beschriebenen Veränderun-gen zu einer schmerzhaften Bewegungs-einschränkung der betroffenen Gelen-ke. Durch die Schmerzreize entsteht eine zusätzliche muskuläre Verspannung, die wiederum zu einer Minderperfu-sion der Muskulatur führt. Die Folge ist eine schmerzbedingte Schonhaltung mit einer weiteren Bewegungseinschrän-kung des Gelenks und im schlimmeren Fall der Extremität. Es entsteht ein Kreis-lauf aus Schmerzen, muskulärer Ver-spannung und Immobilität (.Abb. 1). Das Zusammenspiel zwischen dem Ge-lenk selbst und den umgebenden Weich-teilen ist jedoch essenziell, um die Funk-tion des Bewegungssegments aufrecht zu erhalten [8, 9].

Weiss et al. [1] konnten in einer Über-sichtsarbeit mit über 50.000 Patienten zeigen, dass das Frakturrisiko bei Patien-ten mit rheumatoider Arthritis signifi-kant erhöht ist. Als Gründe hierfür wer-den die Therapie mit Kortikosteroiden und dem daraus folgenden Abbau von Knochenmasse sowie Bewegungsman-gel und Fehlernährung genannt. Alle drei Faktoren können letztlich zu dem Vollbild einer Osteoporose mit erhöhter Fraktur-rate führen. Ein weiterer wichtiger Fak-tor ist die erhöhte Sturzanfälligkeit durch die reduzierte Koordinationsfähigkeit und die durch die Muskelatrophie entstehende Störung der Tiefenstabilität. Die höchsten Frakturrisiken fanden sich im Bereich der Hüfte, der Wirbelkörper sowie des Unter-arms. Andere Studien bestätigen diese Er-gebnisse [10, 11].

» Sport und Bewegung haben positive Auswirkungen auf die Lebensqualität

Sokka u. Hakkinen [12] konnten zeigen, dass eine unzureichende körperliche Fit-ness die Mortalität in Patienten mit rheu-matoider Arthritis deutlich erhöht. Sport-liche Betätigung und damit Erhalt der Beweglichkeit und Lebensqualität führt neben der Risikoreduktion für Frakturen zu einer signifikanten Erniedrigung der Mortalität. Dies konnte in verschiedenen Studien aufgezeigt werden [1, 13].

Im Gegensatz dazu zeigte sich für sup-portive Komplementärverfahren (z. B. Meditation, Akupunktur, Magnetthera-pie und progressive Muskelrelaxation) keine Evidenz zur Therapieverbesserung der rheumatoiden Arthritis [14, 15].

Aspekte der sportlichen Betätigung

Die einzelnen Aspekte der sportlichen Be-tätigung bei rheumatoider Arthritis wer-den in .Abb. 2 dargestellt.

Funktionelle Aspekte

SchmerzSchmerz führt nicht nur zu einer Beein-trächtigung der Funktion eines Gelenks, sondern auch zu einer strukturellen Ver-

Abb. 1 9 Darstellung der Zusammenhän-ge zwischen Immobi-lität und Schmerzent-stehung im Rahmen der rheumatoiden Ar-thritis. Sport und Be-wegung stellt in die-sem Kontext eine wirk-same Methode dar, diesen Kreislauf zu durchbrechen

Abb. 2 9 Aspekte der sportlichen Betätigung bei rheumatoider Ar-thritis

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änderung des Patienten selbst. Somit unterstützt insbesondere das Schmerz-erlebnis den beschriebenen Circulus vi-tiosus der entzündlichen Gelenkerkran-kung. Das erste Therapieziel sollte somit die Schmerzlinderung sein.

» Das erste Therapieziel sollte die Schmerzlinderung sein

BewegungsförderungImmobilisation führt zu einem reduzier-ten Metabolismus des gesamten Kör-pers. Im Bereich der Gelenke verursacht die Synovitis sowohl Schmerzen als auch eine Störung der Matrixproduktionsleis-tung der Synovia selbst. Beides führt zu einem Bewegungsmangel und letztlich zu einem beschleunigten Verschleiß des Ge-lenks mit einer verminderten Belastbar-keit und Stabilität.

Entzündliche Prozesse schreiten somit noch schneller voran. Neben diesen meta-bolischen und biomechanischen Aspek-ten ist die Bewegungsförderung zusätz-lich wichtig für den Erhalt bzw. die Ver-besserung der Koordination. Daraus folgt insgesamt eine Reduktion von Schmerz, Minder- und Überbelastung sowie der Gelenkdestruktion.

Reaktion und KoordinationEntzündliche Gelenkerkrankungen ha-ben im chronischen Verlauf eine nega-tive Auswirkung auf die Reaktions- und Koordinationsfähigkeiten des Patienten. Gründe hierfür liegen in der Muskelatro-phie mit Störung der Tiefenstabilität und negativer Beeinflussung der Reflexbögen [1, 9]. Dies äußert sich nicht nur im All-tag mit einer Reduktion der Lebensqua-lität. Auch erhöht sich die Gefahr für nachfolgende traumatische Verletzungen durch Stürze, da Reflex- und Schutzme-chanismen ebenfalls negativ verändert sind. Es sollte daher die allgemeine ko-ordinative Leistungsfähigkeit trainiert und die Reaktionszeit des Patienten ver-bessert werden.

Training allgemeiner FertigkeitenAlltägliche Fähigkeiten wie z. B. Hinset-zen und Aufstehen zu trainieren, hat nicht nur positive Effekte auf die allgemeine Leistungsfähigkeit, sondern auch auf die

Zusammenfassung · Abstract

Z Rheumatol 2014 · 73:434–438 DOI 10.1007/s00393-013-1341-4© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

D. Proschek · S. RehartSport und rheumatoide Arthritis

ZusammenfassungHintergrund. Der Sport gewinnt in unse-rer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Durch das veränderte Altersspektrum mit einer größeren Zahl an älteren und wesent-lich aktiveren Menschen finden sich immer mehr sportlich interessierte Menschen mit orthopädischen Grunderkrankungen.Material und Methode. Der vorliegende Ar-tikel beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Auswirkungen von sportlicher Betäti-gung bei rheumatoider Arthritis im Rahmen der konservativen Therapie. Die Literaturre-cherche erfolgte einerseits über medizinische Suchmaschinen (im Besonderen PubMed-Recherche), andererseits aber auch über die Empfehlungen der Fachgesellschaften und der Patientenhilfegruppen.Ergebnis. Die Lebensqualität des Patienten mit rheumatoider Arthritis setzt sich aus phy-sischen, psychischen und sozialen Kompo-nenten zusammen. Sport als Mittel der Re-habilitation nimmt auf alle diese Kompo-nenten einen positiven Einfluss. Sport sollte als Therapie verstanden und den Bedürfnis-sen des Patienten individuell angepasst wer-

den. Die Bereitschaft sich zu bewegen ist zu jedem Zeitpunkt hoch anzurechnen und zu fördern. Sport ist damit ein wichtiger Thera-piepfeiler in einem konservativen Gesamt-konzept. Hauptaspekte der sporttherapeuti-schen Arbeit sind hierbei funktionelle, päda-gogische und erlebnisorientierte Aspekte. Kli-nisches Erscheinungsbild, Ausmaß der Schä-digung und die körperliche Beeinträchtigung müssen jedoch evaluiert und in das thera-peutische Konzept eingebracht werden.Schlussfolgerung. Die Datenlage zu dem Themenkomplex Sport und rheumatoide Ar-thritis ist insgesamt gering und bezieht sich im Wesentlichen auf retrospektive Über-sichtsdaten. Eine prospektiv- randomisierte Studienbasis fehlt. Ziel muss es daher sein, die aktuell vorhandenen Empfehlungen zu verschiedenen Sportarten auch in kontrollier-ten Studien zu bestätigen.

SchlüsselwörterGelenkerkrankungen · Arthrose · Rehabilitation · Bewegungstherapie · Lebensqualität

Sport and rheumatoid arthritis

AbstractBackground. Sport is becoming increasing-ly more important in our society. Due to the changing age spectrum with a greater num-ber of elderly and substantially more active people, an increasing number of people with underlying orthopedic diseases are becom-ing interested in participating in sport.Material and methods. This article deals with the possibilities and effects of sport-ing activities for people with rheumatoid ar-thritis within the framework of a conserva-tive therapy. A literature search was carried out using medical search engines, in partic-ular PubMed, and also via the recommenda-tions of specialist societies and patient help groups.Results. The quality of life of patients with rheumatoid arthritis consists of physical, mental and social components. Sport as a means of rehabilitation influences all of these components. Sport should be comprehended as a form of therapy and be adapted to the needs of the individual patient. The willing-

ness to actively participate in sport should al-ways be highly rated and encouraged. Sport is therefore an important pillar of therapy in a conservative total concept. The main aspects of sport therapeutic activities are function-al, pedagogical and experience-oriented as-pects. The clinical symptoms, extent of dam-age and physical impairment must, however, be evaluated and taken into consideration for the therapeutic concept.Conclusion. The amount of data on the complex topic of sport and rheumatoid ar-thritis is low and is mainly dealt with as retro-spective reviews. A prospective randomized study basis is lacking. The aim must therefore be to confirm the currently available recom-mendations for various types of sport in con-trolled studies.

KeywordsJoint diseases · Arthritis · Rehabilitation · Exercise therapy · Quality of life

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Lebensqualität des Patienten. Nur durch das Beherrschen dieser allgemeinen Fer-tigkeiten mit hohen Wiederholungszah-len und damit einer Verbesserung von Koordination und Propriozeption besteht für den Patienten die Möglichkeit, selbst-ständig den Alltag zu meistern.

Für das Muskelaufbautraining be-steht außerdem die Möglichkeit, Sport-geräte einzusetzen. Isometrische Übun-gen haben hier einen besonderen Stellen-wert. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich durch ein isometrisches Kraft-training nicht nur der Ausschlag des Mus-kels (Kraft) und die Kontraktionszeit ver-bessert, sondern auch die EMG-Aktivität (Elektromyographie) zunimmt [16]. Auch konnte gezeigt werden, dass die Hyper-vaskularisierung der Synovia und damit die Synovitis reduziert wird [17].

Pädagogische Aspekte

Ein didaktisch-methodisch aufgebau-tes Schulungsprogramm sollte die The-rapie begleiten. Durch Aufklärung und Schulung können dem Patienten Thera-pieinhalte besser vermittelt und eine bes-sere Compliance erreicht werden. Inner-halb des Krankheitsverlaufs leistet dies auch einen wichtigen Beitrag zur körper-lichen und psychischen Stabilisierung des Patienten.

Grundsätzlich gilt, dass ohne eine pro-fessionelle und regelmäßige Patientenbe-gleitung durch einen Physiotherapeuten oder speziell geschulten Fitnesstrainer eine nicht unerhebliche Gefahr besteht, dass die positiven Effekte nicht erreicht werden und im Gegenteil zusätzlicher Schaden an den Gelenken entsteht [18].

Erlebnisorientierter Aspekt

Die Folgen einer Minderbewegung wur-den bereits beschrieben. Neben Sport- und Bewegungsförderung ist zusätzlich die Beratung ein wichtiger Aspekt. Insbe-sondere zu Beginn der Therapie sind Ani-mation und Motivation entscheidend für den weiteren Verlauf der Trainingspha-se. Ängste und körperliche Beeinträchti-gungen können modifiziert und positi-viert werden. Die Bereitschaft sich zu be-wegen sollte als ein hohes Gut angesehen und unbedingt gefördert werden.

Sportarten

Empfehlungen für eine sportliche Betä-tigung für Patienten mit rheumatoider Arthritis können jedoch nicht uneinge-schränkt ausgesprochen werden. Geeig-nete Sportarten sollten folgende Anforde-rungen erfüllen:FSie sollten die Gelenke schonen.FSie sollten den Körper im Gesamten

trainieren und die Muskulatur stär-ken.

FSie sollten ein – wenn überhaupt – nur geringes Verletzungsrisiko haben.

Insbesondere Sportarten mit hoher und kurzer Impulsbelastung sind nicht zu empfehlen. Auch muss auf den jeweiligen Erkrankungsstatus Rücksicht genommen werden. So sollte im Rahmen eines aku-ten Schubs die sportliche Belastung redu-ziert werden.

» Bei der Wahl der Sportart muss der Erkrankungsstatus berücksichtigt werden

Im Folgenden soll daher auf empfehlens-werte und die benannten Anforderungen erfüllende Sportarten für Patienten mit rheumatoider Arthritis näher eingegan-gen werden.

Empfehlenswerte Sportarten

In dieser Gruppe finden sich gängige Sportarten, die leicht selbst durchgeführt werden können. Vorerfahrungen sowie praktisches Können müssen berücksich-tigt werden.

RadfahrenRadfahren ist eine beliebte Sportart, die in einem hohen Maße Ausdauer und Kräfti-gung des Körpers trainiert. Der Schwer-punkt der Bewegungstherapie findet sich hier im Bereich der unteren Extremität. Insbesondere beim Radfahren ohne ho-he Kraftamplitude und mit dafür erhöh-ter Drehzahl werden Hüft-, Knie- und Sprunggelenk harmonisch und repeti-tiv bewegt. Der Schwerpunkt der Kräfti-gungstherapie liegt ebenfalls im Bereich der unteren Extremität, jedoch wird auch die Armmuskulatur sowie der Halteappa-

rat des Rumpfs mit trainiert. Zu empfeh-len ist, dass anfänglich die Einstellungen von Sattel, Pedalen und Lenker gemein-sam mit einer zweiten und erfahrenen Person erfolgen.

Wandern/Nordic WalkingDas Wandern sowie das Nordic Walking sind ebenfalls beliebte Sportarten, die die Muskulatur und die Ausdauer des gesam-ten Körpers trainieren. Es ist dabei in ein-facher Weise möglich, die Belastungsin-tensität zu kontrollieren und somit über eine Steigerung den Trainingseffekt zu erhöhen. Für beide Sportarten gilt, dass ein gutes und stabiles Schuhwerk getra-gen wird. Wichtig ist auch die langsame und adaptierte Belastungssteigerung, um Überlastungsreaktionen bzw. -schmerzen zu vermeiden.

Der Trainingseffekt beim Nordic Wal-king ist durch die intensive Mitbenutzung der Arme noch einmal höher als beim klassischen Wandern. Jedoch setzt dies eine gewisse koordinative Übung voraus, sodass für ungeübte Sportler das Angebot von Kursen genutzt werden sollte.

SchwimmenSchwimmen ist ebenfalls eine für Patien-ten mit rheumatoider Arthritis zu emp-fehlende Sportart. Sie fördert die Be-übung und Kräftigung des gesamten Kör-pers. Durch die reduzierte Schwerkraft im Wasser werden außerdem Gelenke ent-lastet und diese durch den Wasserwider-stand harmonischer bewegt. Dadurch er-möglicht sich ein gelenkschonendes Trai-ning.

GymnastikDie Gymnastik ist ein wichtiger Pfei-ler der konservativen Therapie der rheu-matoiden Arthritis. Es steht weniger die Kräftigung des Körpers, sondern viel-mehr der Erhalt der Gelenkbeweglichkeit im Vordergrund. Unterschieden wird da-bei zwischen Wassergymnastik und Tro-ckengymnastik.

Mittlerweile existiert eine breite Zahl an Gymnastikprogrammen, die einzeln oder in Gruppe gemeinsam mit Physio-therapeuten und Fitnesstrainern durch-geführt werden. Unter anderem hat die Deutsche Rheuma Liga ein gesonder-tes Gymnastikprogramm entwickelt, das

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bundesweit angeboten und in dem in Gruppentherapie und unter fachkundi-ger Anleitung trainiert wird (Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e. V., Bonn; http://www.rheuma-liga.de).

GerätetrainingDas Gerätetraining in einer Medizini-sche-Therapie-Einheit oder im Fitness-studio ist eine mittlerweile weit verbreitete Methode, um gezielt Training unter An-leitung durchzuführen. Hierbei steht ein großer Umfang an Ergometertrainings- und Kraftgeräten zur Verfügung, sodass ein breites Spektrum an Therapie von all-gemeinem Ausdauertraining bis hin zum gezielten Muskelaufbau einzelner Bewe-gungselemente angeboten werden kann. Es ist jedoch wichtig, ein Gerätetraining unter fachkundiger Anleitung durchzu-führen, da anderenfalls durch Fehlbe-lastungen oder -benutzungen von Gerä-ten ein Risiko in der Behandlung der ent-zündlichen Gelenkerkrankung entsteht.

Bedingt empfehlenswerte Sportarten

Inwieweit Sportarten für therapeutische Maßnahmen geeignet sind, muss für je-den Patienten individuell eruiert werden.

Aufgrund der hohen Impulsbelastun-gen und insbesondere der hohen Maxi-malbelastungen sind Sprungdisziplinen nur bedingt zu empfehlen. Gleiches gilt aufgrund der hohen Lauf- und Sprung-belastungen für Ballspiele wie z. B. Fuß-ball. Tennis spielen geht mit hohen Stoß-, Scher- und Drehbelastungen einher. Alpi-ner Skisport und Reitsport zeichnen sich durch ein hohes Sturz und Verletzungsri-siko aus.

» Sprungdisziplinen und Ballspiele sind nur bedingt zu empfehlen

Golfspielen ist für Patienten mit prakti-scher Erfahrung geeignet. Patienten oh-ne Kenntnisse dieser Sportart sollte von einer Betätigung abgeraten werden. Es müssen Dreh- und Scherbewegungen so-wie Schlagbewegungen berücksichtigt werden [19].

Rudern ist Patienten mit Erfahrungen in den benötigten Bewegungsabläufen zu empfehlen. Andernfalls stellen die teils hohen Kraftvektoren ein Risiko für Ver-letzungen und/oder Fehlbelastungen dar.

Fazit für die Praxis

Sport als Mittel der Rehabilitation hat einen positiven Einfluss auf die Lebens-qualität von Patienten mit rheumatoider Arthritis. Sport sollte als Therapie ver-standen und den Bedürfnissen des Pa-tienten individuell angepasst werden. Die Bereitschaft sich zu bewegen ist zu jedem Zeitpunkt hoch anzurechnen und zu fördern. Sport ist damit ein wichtiger Therapiepfeiler in einem konservativen Gesamtkonzept. Hauptaspekte der sporttherapeutischen Arbeit sind hierbei funktionelle, päda-gogische und erlebnisorientierte Aspek-te. Klinisches Erscheinungsbild, Ausmaß der Schädigung und die körperliche Be-einträchtigung müssen jedoch evaluiert und in das therapeutische Konzept ein-gebracht werden.Empfehlenswert für Patienten mit rheu-matoider Arthritis sind Radfahren, Schwimmen, Wandern/Nordic Walking sowie auf die Erkrankung zugeschnitte-ne Gymnastik- und Gerätetrainingspro-gramme.

Korrespondenzadresse

PD Dr. D. ProschekZentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsmedizin MainzLangenbeckstr. 1, 55131 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. D. Proschek und S. Rehart geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Leitthema